In Debrecen haben wir gerade eine tolle Zeit. Die Klasse ist als Gruppe zusammen, die in Zelten schläft, in einem phantastischen Sommerhaus isst, sich trifft, abends spielt und dort ihr Zentrum findet. Tagsüber wird an Projekten gearbeitet, die schnell wachsen und Erfolge sichtbar machen. Es wird aber auch ausgeruht, Schach, Uno und anderes gespielt, geredet und getratscht, werden kleinere Verletzungen, Halsschmerzen und Wespenstiche versorgt.
Zwischen Arbeitsschluss und Abendkreis ist die Zeit, in der den Schülerinnen und Schülern ihre Smartphones zur Verfügung stehen – einige werden verwendet, um kurz mit Zuhause zu sprechen, einige ruhen schon länger in der Handykiste, einige werden bis an den Rand der Akkuleistung ausgenutzt, bis sie vorm Abendessen wieder in der Handykiste landen – was in der Regel sehr gut funktioniert.
Im Anschluss an die VLL-Projekte der Vergangenheit haben schon viele Schülerinnen und Schüler geäußert, dass diese mit zum Besten ihrer Schulzeit gehören, die ja nicht arm an besonderen Erlebnissen ist. Warum ist das eigentlich so?
Ein Ziel, das wir mit den Schülerinnen und Schülern verfolgen, ist, in umfassendem Maß fähig zu werden, handelnd an der Welt teilzuhaben, sie zu gestalten und im Guten zu verändern – kurz: Handlungskompetenz zu erwerben.
So habe wir uns bereits vor der Fahrt damit auseinandergesetzt, was das eigentlich ist und wie wir unsere eigene Handlungskompetenz erfassen können. Erfassen können wir unsere Kompetenzen in dem, was wir tun, sodass jeder Bericht, den wir von unserem Tun geben, gute Grundlage sein kann, daran die Kompetenzen zu erkennen, die wir erworben und gezeigt haben.
Für die Handlungskompetenz schauen wir uns dabei besonders vier verschiedene Aspekte an. Am offensichtlichsten ist dabei bestimmt die Fachkompetenz, die wir zeigen, wenn wir zum Beispiel erfassen, lernen und umsetzen, wie ein Akkuschrauber oder eine Schaufel richtig gehalten werden, um lange und ausdauernd gute Ergebnisse zu erzielen. Die Methodenkompetenz ist dann auch viel eher auf andere Arbeitsbereiche übertragbar. Wenn wir lernen, wie wohltuend, praktisch, effektiv und förderlich ein aufgeräumter Arbeitsbereich ist, dann können wir das gut auch in andere Bereiche übertragen – oder, wenn wir die Idee ausprobieren, die schweren Steine mit einer Menschenkette von A nach B zu bringen, statt für jeden einzelnen Stein von A nach B zu laufen.
Dafür benötige ich als Drittes dann auch die Sozialkompetenz, die mich zum Beispiel dazu befähigt, meine aktuelle Arbeit aufzuschieben, meinen Kaffee stehen zu lassen, meine Pause zu unterbrechen, weil ich sehe, dass ich die Menschenkette unterstützen kann, die gerade die Steine von A nach B bringt, und mich an der richtigen Stelle einzureihen, damit alle gemeinsam schnell zum Ziel kommen.
Die personale Kompetenz schließlich kann in dem Zusammenhang sein, dass ich aus meiner Komfortzone ausbreche, trotz Unlust mich diszipliniere, tätig zu werden und meinen Kaffee oder Kakao kalt werden zu lassen, um andere in ihrem notwendigen Tun zu unterstützen – und daran nicht selten auch eine große Motivation für dieses Tun entwickle.
All dies lässt sich kaum vollständig in der Selbstreflexion des Portfolios festhalten, aber doch in wichtigen Aspekten, die mir selbst zeigen, in welchen Bereichen ich welche Kompetenz entwickelt und gezeigt habe, auf welche Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verhaltensweisen ich zurückgreifen kann, die mir sonst vielleicht gar nicht bewusst geworden wären – und schließlich in ein großes Abschlussportfolio am Ende der 12. Klasse münden.
Dass VLL ist dabei also auch ein wesentlicher Schritt, zu sich selbst und seinen Möglichkeiten in der Gemeinschaft zu finden, eine häufig zutiefst befriedigende Erfahrung.
St
Hut ab für Eure tolle Arbeit in Ungarn. Als Oma einer der Schülerinnen bin ich sehr froh dass diese jungen Menschen eine solch tolle Erfahrung machen können, die leider nicht mehr selbstverständlich ist. Auch das Engagement der Begleitungen ist beeindruckend. Ich wünsche Euch noch eine tolle Zeit!